Wissenswertes über Vitamin D

von Michael Thiel

Kapitelübersicht

Mit diesem Beitrag möchten wir Euch grundlegende, aber auch einige weiterführende Aspekte von besonderem Interesse zum Thema Vitamin D vorstellen. Wir haben den Komplex in 20 Kapitel aufgeteilt und veröffentlichen diese schrittweise.

Kapitel 1: Was ist Vitamin D?

Einleitung

Die meisten von Euch werden es schon ziemlich genau wissen. Für manche können medizinische oder gar biochemische Themen jedoch abschreckend sein, und sie haben sich daher mit so etwas noch gar nicht auseinandergesetzt. Wir werden daher versuchen, nur einige grundlegende Aspekte darzustellen, die wir für wichtig oder besonders interessant halten. Es wird einiges für die „Cracks“ dabei sein, vieles aber auch für „Jedermann“.

Die überwiegende Anzahl der hier gegebenen Informationen kann medizinischen Standardwerken z.B. aus dem Gebiet der Physiologie oder auch allgemeinen Nachschlagewerken entnommen werden (z.B. Wikipedia); diese sind aber nicht immer bzw. nicht in allen Punkten auf dem neuesten Stand. Zu spezielleren Themen sind Quellenangaben hier hinterlassen. Weiterführende Literatur gibt es in Hülle und Fülle.

Wer sich maximal für das Thema interessiert und das Englische nicht scheut, dem kann folgendes Buch empfohlen werden: „Vitamin D“ (4. Edition, 2018) von David Feldman – Volume 1: Biochemistry, Physiology and Diagnostics, bzw. Volume 2: Health, Disease and Therapeutics. Interessante Aspekte auf nahezu neuestem Stand sind auch dem Buch „Sunlight, Vitamin D and Skin Cancer“ (3. Edition, 2021) von Jörg Reichrath (Hrsg.) zu entnehmen. Als Übersichtsartikel ist außerdem z. B. eine Abhandlung von Prof. Holick aus der Zeitschrift Dermato-Endocrinology sehr lesenswert [1]. Holick ist einer der aktivsten und angesehensten Forscher im Bereich Vitamin D.

Grundlegende Fragen

Wir wollen uns zunächst auf wenige ganz einfache Fragen konzentrieren:

  • Ist Vitamin D eine einheitliche Substanz? Was genau versteht man darunter?
  • Gibt es andere Bezeichnungen dafür (Synonyme)?
  • Ist es eigentlich ein Vitamin oder ein Hormon?
  • Was sind die wichtigsten physikalisch-chemischen Eigenschaften, von denen auch ein Laie gehört haben sollte?

Der Name Vitamin D wird im allgemeinen Sprachgebrauch für eine ganze Reihe von Substanzen benutzt. Das sind einerseits chemisch eng verwandte und auch in ihrer biologischen Wirkung ähnliche bis gleichartige Stoffe, andererseits auch Vorläufer oder aber funktionell relevante Stoffwechselprodukte (Metaboliten) von Vitamin D. Relativ bekannt sind hier die Speicherform und auch das aktivierte Vitamin D.

Wenn wir im Folgenden von Vitamin D sprechen, so ist damit ganz speziell das Prohormon Vitamin D3 gemeint. Es ist dasjenige Prohormon, welches wir als Menschen, aber in sehr unterschiedlichem Maße auch die meisten Wirbeltiere (und einige Plankton-Arten) mit Hilfe des Sonnenlichts bilden können. Auf diverse chemische Vorläufer und Metabolite kommen wir noch zu sprechen.

Daneben gibt es das Vitamin D2, welches von Pilzen und einigen Pflanzen gebildet werden kann. Es kann aber auch – wie sämtliche D-Vitamine – synthetisch hergestellt werden. Dieses und insbesondere seine Metaboliten unterscheiden sich in ihrer Funktion für den menschlichen Organismus nicht wesentlich, auch wenn bei Vitamin D3 u.a. eine höhere Bioverfügbarkeit besteht; es wird also besser vom menschlichen Körper aufgenommen als Vitamin D2. [2] (Außerdem bindet D3 besser an die Transportproteine, was aber allenfalls für einen leichten indirekten Vorteil bzgl. seiner endokrinen Funktion (Knochen!) sprechen könnte.)

Vitamin D1, D4 und D5 sind synthetisch hergestellte Substanzen. Darüber hinaus gibt es noch künstlich hergestellte Vitamin D-Analoga – das sind Stoffe, die die Wirkung von Vitamin D zumindest teilweise imitieren.

Für Vitamin D3 gibt es zahlreiche Begriffe mit gleicher Bedeutung (dies gilt auch für die meisten im Text angesprochenen Stoffe), lasst Euch nicht verwirren!

Es hilft, wenn man die am häufigsten verwendeten Namen zumindest schon einmal gehört hat: Vitamin D3 = Cholecalciferol = Colecalciferol (andere Schreibweise) = Calciol.
Erwähnt sei in diesem Zusammenhang nur noch das Vitamin D2, das auch als Ergocalciferol bezeichnet wird.
(Vitamin D1 ist übrigens nur eine 1:1-Verbindung von Vitamin D2 und Lumisterol, einem sehr instabilen Zwischenprodukt bei der Bildung von Vitamin D3, also einem Vorläufer desselben.)

Vitamin oder Hormon?

Ein Vitamin ist ein Mikro-Nährstoff* (1), der für den Körper lebensnotwendig ist, aber von ihm selbst nicht hergestellt werden kann (fehlende endogene Synthese). Er muss also von außen zugeführt werden. Streng genommen hat sich diese ursprüngliche Annahme für Vitamin D nicht bestätigt, so dass man den Namen (teilweise) als irreführend bezeichnen kann. Stattdessen wird es heute meist als Hormon bzw. eher als Pro-Hormon (also Hormon-Vorläufer) angesehen, da es seine Wirkung nicht nur an dem Ort / in dem Gewebe entfaltet, an dem es gebildet wird, sondern auch an anderen.

Dabei hat das aktivierte Vitamin D, also das eigentliche Hormon, nicht nur endokrine (hormonartige), sondern auch sehr wichtige autokrine Funktionen (s.u.: Kap. 8) – aber das nur nebenbei.

Man kann allerdings noch heute – bzw. gerade heute, in Anbetracht unserer modernen Lebensweise – darüber streiten, ob es nicht durchaus seine Berechtigung hat, auch weiterhin von einem Vitamin zu sprechen; denn de facto besteht für einen Großteil der Weltbevölkerung, insbesondere auch in den äquatorfernen Breiten, ohne eine (im Allgemeinen) orale Zufuhr kaum eine Chance, über das Jahr hinweg eine ausreichende Versorgung sicherzustellen. Was heißt das?

Orale Zufuhr bedeutet: Über die Nahrung oder als medikamentöse Substitution (Kapseln, Tabletten, Kaugummi, Direkt-Spray oder Öl bzw. Tropfen).

Außerdem gibt es Cremes (mit und auch ohne sog. Enhancer) zum Einmassieren sowie transdermale Pflaster. Darüber hinaus hat der Arzt auch die Möglichkeit, Vitamin D zu spritzen (i.m. = intramuskulär, i.v. = intravenös oder s.c. = subcutan, also unter die Haut). Zusätzlich gibt es Vitamin D-Analoga, also -Abkömmlinge, z. B. zur topischen bzw. äußeren Anwendung (Psoriasis) als Salbe. Über die konkreten Möglichkeiten z.B. im Rahmen der Ernährung gibt es in Kapitel 7 weitere Informationen.

Man muß letztlich allerdings davon ausgehen, dass zwischen 70% und 90% aller Menschen zumindest während einiger Wintermonate bezüglich Vitamin D unterversorgt sind.

Hinsichtlich der Frage seiner Funktion als (Pro-)Hormon oder Vitamin nimmt Vitamin D in gewisser Weise also eine Zwitterstellung ein.

Foto: Christian Thöni Quelle: Pexels

Chemisch-physikalische Eigenschaften

Vitamin D ist ein farbloser Feststoff, (wie die Vitamine A, E und K) fettlöslich* (2) und gegenüber UV-Licht recht instabil.

Im Blut bindet es rasch an verschiedene Transport-Proteine, also Eiweiß-Stoffe, v. a. an VDBP (Vitamin D-bindendes Protein), aber auch Albumin und Chylomikronen [3]; es kommt dort zu 50 bis 80% als Protein-Komplex vor, bei teils erheblichen individuellen Unterschieden [4]. Immerhin verbleiben so 20 bis 50% in freier Form, wodurch es praktisch in sämtlichen Geweben auch direkt in die Zellen aufgenommen werden kann (im Gegensatz zu 25-OH-Vitamin D3, der Speicherform des Vitamins, s.u.: Kap. 8!). Allerdings hat es eine relativ kurze Halbwertszeit *(3) (t1/2) im Blut. Diese bewegt sich im Bereich von Stunden (für das in unserem Zusammenhang wichtige oral aufgenommene Vitamin D3 liegt die t1/2 nur zwischen 4 und 6 Std.!).

Die Summenformel für Vitamin D ist übrigens C27H44O. Es gehört mit seinen 4 Ringen (Wabenstruktur) zu den Secosteroiden, hat also Steroid-Struktur, was auch schon auf eine hormonelle Funktion hinweist (Ähnlichkeit mit Cortison!).

25-Hydroxylierung des Vitamin D3 Quelle: Wikipedia

Zusammenfassung:

Unter Vitamin D kann man unterschiedliche Substanzen verstehen, die teilweise sehr ähnliche, teils auch recht unterschiedliche Wirkungen haben.

Die einzelnen Substanzen haben meist mehrere Bezeichnungen. So heißt das unveränderte Vitamin D3, von dem hier meist die Rede sein wird, auch Cholecalciferol oder Calciol.

Vitamin D ist fettlöslich, im Blut vorwiegend an bestimmte Proteine gebunden und hat dort eine relativ kurze biologische Halbwertszeit.

In der begrenzten Zeit kann unverändertes Vitamin D von allen Zellen unseres Organismus auch direkt aufgenommen werden.

Vitamin D hat sowohl Charakteristika eines Vitamins als auch (überwiegend) eines Prohormons, stellt also die Vorform eines Hormons dar.

Die aktive Form von Vitamin D ist das eigentliche Hormon. Diese ist z. B. zu unterscheiden von der Speicherform des Vitamin D.


Anmerkungen (*):

(1): Mikronährstoffe sind essentielle, also notwendige Stoffe, die der Mensch mit der Nahrung aufnehmen muss, die aber für den Organismus – im Gegensatz zu den Makronährstoffen – keinen energetischen Wert haben. Makronährstoffe: Kohlenhydrate, Proteine (Eiweiße) und Fette. Diese können vom Körper aber nur verwertet werden, wenn die Nahrung zusätzlich Mikronährstoffe enthält, auch wenn sie nur in sehr geringer Menge benötigt werden. Hierzu gehören Vitamine und Mineralstoffe (Mengen- und Spurenelemente). Sie werden für den Stoffwechsel und zahlreiche Prozesse im Körper benötigt und sind deshalb ebenfalls lebenswichtig. Je nach Definition werden außerdem auch sekundäre Pflanzenstoffe, Omega-Fettsäuren und proteinbildende Aminosäuren zu den Mikronährstoffen gezählt. Der menschliche Körper kann Mikronährstoffe nicht selbst herstellen. Für einen funktionierenden Stoffwechsel muss er sie daher mit der Nahrung aufnehmen. Sie spielen zum Beispiel eine entscheidende Rolle bei der Zellteilung, bei wichtigen Enzymreaktionen, der Weiterleitung von Nervenreizen oder der Bildung von Botenstoffen. Andere Mikronährstoffe wiederum haben eine antioxidative Wirkung, sie schützen also vor freien Radikalen.

(2): Allerdings ist die Fettlöslichkeit von Vitamin D nicht besonders stark ausgeprägt. Immerhin bedeutet es, dass es nicht wasserlöslich ist, und somit nur in Verbindung mit Fett, z.B. etwas Öl, vom Körper aufgenommen wird; außerdem heißt es, dass es – wie die anderen fettlöslichen Stoffe auch – im Körper gespeichert werden kann.

(3): Halbwertszeit (Abk.: t1/2) im Zusammenhang mit chemischen Prozessen ist die Zeit, in der eine Substanz in bestimmter Umgebung zur Hälfte abgebaut ist; also nach einer weiteren Halbwertszeit von der übriggebliebenen Hälfte wiederum die Hälfte, somit insgesamt ¾, nach 3 Halbwertszeiten insgesamt 7/8, u.s.w.

Quellen:

[1]: Matthias Wacker & Michael F. Holick (2013), „Sunlight and Vitamin D“, Dermato-Endocrinology, 5:1,51-108, DOI: 10.4161/derm.24494

[2]: Glendenning P, Chew GT, Inderjeeth CA, Taranto M, Fraser WD : Calculated free and bioavailable vitamin D metabolite concentrations in vitamin D-deficient hip fracture patients after supplementation with cholecalciferol and ergocalciferol. Bone. 2013, Vol. 56(2), pp 271-5. DOI: 10.1016/j.bone.2013.06.012

[3]: CIE. Technical report action spectrum for the production of previtamin D3 in human skin. CIE. 2006; 174: 1-12. – Bodo Lehman, 2011, in: Vitamin D-Update 2012, Jörg Reichrath, Bodo Lehmann und Jörg Spitz (Hrsg.)

[4]: „Vitamin D–Binding Protein and Vitamin D Status of Black Americans and White Americans“, Powe et al. (2013), DOI: 10.1056/NEJMoa1306357

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