Jugoslawien-Krieg im Gedächtnisloch verschwunden?

Grünes Grußwort zum Ostermarsch in Marburg

Am 18.04.2022 richtete Dr. Elke Neuwohner (Bündnis 90 / Die Grünen) ein Grußwort im Namen der Marburger Stadtverordnetenversammlung an die Teilnehmer des Marburger Ostermarsches.
Dieser wurde vom Marburger Bündnis „Nein zum Krieg“ organisiert.

Zu begrüßen ist, dass sie sich in ihrer Rede klar für eine diplomatische Lösung ausgesprochen hat:

„Jeder weiß, dass man Krieg niemals wirklich gewinnen kann. Und deshalb kann es nur eine diplomatische Lösung geben.“

„Auch wenn die aktuellen Nachrichten wenig Anlass zur Hoffnung geben, ist es wichtig, deutlich zu machen, dass Gespräche mit dem Ziel einer diplomatischen Lösung ernsthaft geführt werden müssen.“

„Kant hat gesagt: ‚Der Friede ist das Meisterstück der Vernunft.‘ Ein Meisterstück schüttelt man nicht einfach so aus dem Ärmel. Das ist ein schwieriges Unterfangen. Ich verbleibe aber in der Hoffnung und auch in der Erwartung, dass sich die Vernunft durchsetzen wird.“

Irritierend war jedoch der Einstieg in ihre Rede, wo sie den Eindruck erweckt hat, der Angriff Russlands auf die Ukraine sei der erste Krieg in Europa seit 1945 – als hätte es den Jugoslawienkrieg 1999 nie gegeben. Dass die Grünen dieses geschichtliche Ereignis vergessen haben sollten, ist schwer zu glauben. Denn der Wandel von „Grün“ zu „Olivgrün“ war für viele damalige Parteimitglieder der Grund, auszutreten.

Soll der Jugoslawienkrieg im Orwell’schen „Gedächtnisloch“ verschwinden?

„Ein Erinnerungsloch ist jeder Mechanismus zum absichtlichen Ändern oder Verschwinden von unbequemen oder peinlichen Dokumenten, Fotos, Transkripten oder anderen Aufzeichnungen, beispielsweise von einer Website oder einem anderen Archiv, insbesondere als Teil des Versuchs, den Eindruck zu erwecken, dass etwas nie passiert ist.“

https://gaz.wiki/wiki/de/Memory_hole

Im Gegensatz zum „memory hole“ in Orwells Roman „1984“ kann man im Zeitalter des Internet Informationen allerdings nicht mehr vollständig aus der Welt schaffen. Und selbst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wird der Jugoslawien-Krieg noch hin und wieder erwähnt: 1999 wurde erstmals wieder Krieg in Europa geführt und damit die Nachkriegszeit beendet. Für Deutschland war die Bombardierung Jugoslawiens der erste Angriffskrieg seit dem zweiten Weltkrieg.

Dennoch versuchen manche Politiker, bestimmte Informationen aus dem öffentlichen Bewusstsein zu tilgen. Und so beginnt das Grußwort von Dr. Elke Neuwohner (Bündnis 90 / Die Grünen) an die Teilnehmer des Marburger Ostermarsches am 18.04.2022 mit den Worten:

„Vor knapp zwei Monaten hat Russland die Ukraine angegriffen, und spätestens seit dem 24.02.2022 ist damit die Nachkriegszeit in Europa beendet.“

… als hätte es den Jugoslawien-Krieg nie gegeben. Damit ist die Grüne in „guter“ Gesellschaft mit SPD und CDU, die sich ähnlich äußerten – z.B. am 25.02.2022 der Kreistagsvorsitzende des Kreistages Marburg-Biedenkopf, Detlef Ruffert (SPD). In der Niederschrift der Sitzung heißt es:

„Der Kreistagsvorsitzende richtet einige Worte zum Krieg in der Ukraine an den Kreistag. Die seit 75 Jahren gültige Friedensordnung in Europa sieht er durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine als zerstört an.“

In einem Resolutionsantrag von CDU und SPD vom 23.03.2022 heißt es:
„Kaum jemand hat es für möglich gehalten, dass Europa nach all den schrecklichen Erfahrungen zweier Weltkriege noch einmal einen Angriffskrieg erleben und die europäische Sicherheit bedroht würde.“

Die große Koalition der Jugoslawienkriegs-Leugner wollen wir hiermit dazu ermahnen, sowohl in Fragen von Krieg und Frieden als auch bezüglich der Repressionspolitik des Coronamaßnahmenstaates sich endlich auf einen fairen und ehrlichen öffentlichen Diskurs einzulassen.

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