Vitamin D wird von uns unter dem Einfluß eines bestimmten Frequenzbereichs des Sonnenlichts (ganz vorwiegend UV-B* (5) in einer Wellenlänge von 280 bis 315 nm* (6)) unter bestimmten Voraussetzungen in der Haut gebildet, und zwar ganz vorwiegend in zwei Hautschichten: dem Stratum spinosum und dem Stratum basale.
Zahlreiche Voraussetzungen
Zum Anstoßen einer relevanten Vitaminproduktion sind vorausgesetzt
- ein bestimmter Winkel (nicht flacher als 42 Grad* (7)) beim Auftreffen der Strahlen auf die Atmosphäre an dem betreffenden Ort, was somit auch an
- bestimmte Jahres- und Tageszeiten (auf der Nordhalbkugel etwa nördlich des 51. Breitengrades* (8) April bis September, 11:00 bis 15:00 Sommerzeit hierzulande) gebunden ist,
- eine Mindest-Dauer (Angaben zwischen 8 sec. und wenigen min.) und -Stärke (mindestens 18 mJ/qcm) der Sonnen-Exposition [5], somit z.B. auch die Abwesenheit starker Bewölkung, extremer Ozonlage oder Luftverschmutzung bzw. einer Kombination dieser Faktoren* (9),
- weitgehender Ausschluß von Sonnenschutz (s.u.: Kap. 7) und
- eine zumindest halbwegs intakte Hautfunktion des bestrahlten Areals (keine großflächigen Narben, keine ausgeprägte Altershaut und auch kein Sonnenbrand).
- Geschlossene Fenster lassen UV-B nicht durch, Windschutzscheiben (Verbundsicherheitsglas!) schirmen sogar UV-A großteils ab.
Zusätzlich vorausgesetzt ist das genügende Vorhandensein des Grundbaustoffes für Vitamin D, nämlich des 7-Dehydro-Cholesterol (7-DHC) (ursprünglich in der Leber aus Cholesterin gebildet); diese Substanz nimmt mit zunehmendem Alter ebenfalls stark ab, zumindest was die dauerhaft verfügbare Menge betrifft [6]. Aus ihr bildet sich unter dem einwirkenden Sonnenlicht das thermodynamisch instabile Prävitamin D3, welches nach Umlagerung sowie letztlich Isomerisation zum Vitamin D3 wird. Dieser Vorgang beansprucht in der Haut – temperaturabhängig – ca. 8 Stunden.
Wie gewonnen, so zerronnen
Vitamin D3 wird über das Blut unter der erwähnten Protein-Bindung zur Leber transportiert, bei Stillenden gelangt es auch in die Muttermilch [7, 8]. In der Leber wird es in bestimmten Zell-Organellen, den Mikrosomen* (9), weiter zu Calcidiol ( = 25-Hydroxy-Cholecalciferol, = 25-OH-Cholecalciferol, = 25-OH-Vitamin D3) hydroxyliert* (10).
(Über den weiteren Werdegang des Vitamin D im Körper wird im Kap. 7 noch berichtet.)
Die Menge an Prävitamin D3 bleibt bei weiterer Bestrahlung im Gleichgewicht, übersteigt also eine bestimmte Konzentration nicht;
denn auch Prävitamin D3 ist photolabil und wird durch weitergehende UV-B-Bestrahlung während der nächsten acht Stunden zum (stark vereinfacht gesagt) physiologisch inaktiven Lumisterol* (11) und zu Tachysterol abgebaut, bevor es zu weiterem Vitamin D3 isomerisieren könnte* (12).
Auch das entstandene Vitamin D3 ist photolabil: Kann es nicht schnell genug im Blut abtransportiert werden, entstehen aus ihm durch UV-B- und UV-A-Strahlung mindestens drei weitere unwirksame Produkte: Suprasterol-1 und -2 sowie 5,6-Transvitamin D3.
Eingebauter Schutz vor sonnenbedingter Vergiftung
So wird schon bei kurzer Sonnenbestrahlung (je nach Haut- und Pigmentierungstyp [10] sowie Vorbräunung etwa über eine Zeit von 10 bis 40 min. bzw. bei Dunkelhäutigen wohl mindestens 120 min.) ähnlich viel Vitamin D3 gebildet und innerhalb von 24 Std. ans Blut abgegeben wie bei einer vergleichbaren Bestrahlung desselben Hautareals über längere Zeit. Hierdurch ist man auch vor einer sonnenbedingten Vitamin D-Intoxikation zumindest kurzfristig geschützt, auch wenn man selbst hierzulande durchaus bis zu gut 20000 IE Vitamin D durch ein längeres mittägliches Sonnenbad an einem einzigen klaren Sommertag produzieren kann – unter optimalen Bedingungen.
Welcher Hauttyp man genau ist, kann man mit Hilfe eines Hauttypen-Tests feststellen [11].
Anmerkungen (*):
(4): Die gegen Depressionen zunehmend eingesetzten Tageslicht-Lampen strahlen kein UV-B ab und können zur Vitamin D-Bildung nichts beitragen. Der UV-B-Anteil der diversen Sonnenbänke kann sehr stark variieren und ist ggf. beim Sonnenstudio zu erfragen. Im Allgemeinen ist er aber deutlich kleiner als der natürlicher ungehindert zur Erde gelangender Sonnenstrahlung. Prinzipiell kann man die UV-B-Strahlung unter Beachtung der Vorsichtsmaßnahmen auch über eine UV-Licht-Lampe der Haut zuführen.
(5): UV-B steht für den relativ energiereichen Teil der Ultraviolett-Strahlung, der mit einer Wellenlänge von 280 bis 315 nm kurzwelliger ist als UV-A. Wenn wir mit einem lichtbrechenden Medium wie z.B. einem Prismenglas das Sonnenlicht nach den verschiedenen Wellenlängen aufspalten, entsteht so etwas wie ein Regenbogen. Man spricht von den Spektral-Farben, da sich das ganze Spektrum der Farben darstellt. An der kurzwelligeren Seite findet sich die Farbe Violett – noch kurzwelligere Strahlen sind für unser Auge nicht sichtbar, daher „ultra-violett“: jenseits von Violett. Da kommt zunächst UV-A, dann UV-B;
UV-B dringt nicht so tief in die Haut ein wie UV-A, aber ist – wie gesagt – energiereicher und gilt als besonders krebserregend (Hautkrebs). Es dringt nur bis zur untersten Schicht der Oberhaut und führt nach mehrtägiger Exposition zur Verdickung der Hornhaut, zur sogenannten Lichtschwiele; es bewirkt außerdem die Vermehrung des schwarzen Pigments Melanin, was beides zur Bräunung der Haut führt.
Länger anhaltende UV-A-Bestrahlung bewirkt u.a. verstärkte Hautalterung, wird in geringerem Maß aber ebenfalls der Förderung von Hautkrebs beschuldigt.
Alle UV-Strahlen erhöhen am Auge die Entwicklung einer Linsentrübung (Grauer Star).
(Das extrem kurzwellige UV-C durchdringt im Wesentlichen erst gar nicht unsere Atmosphäre, wäre übrigens – theoretisch – aber auch in gewissem Maß in der Lage, Produktion von Vitamin D zu bewirken).
Einen Überblick, wann welche UV-Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind, bietet der UV-Index (UVI), ein weltweit einheitliches Maß für die an einem Tag mögliche höchste sonnenbrandwirksame UV-Bestrahlungsstärke. Den einzelnen UVI-Werten sind Empfehlungen für die hellhäutige Bevölkerung bezüglich der zu ergreifenden UV-Schutzmaßnahmen zugeordnet.
(6): Genau gesagt geht der Wellenlängen-Bereich, der eine Vitamin D-Produktion der Haut bewirken kann, nicht nur bis weit in den UV-C-Bereich, sondern auf der langwelligeren Seite auch etwas in den UVA-Bereich, jeweils aber mit zunehmender Entfernung vom UV-B-Wellenlängen-Spektrum mit rasch abnehmender Wirkung. Die größte Effektivität besteht zwischen 280 und 305 nm mit Maximum bei 295 nm. [9]
(7): Faustregel: Wenn Dein Schatten länger ist als Du selbst, bewirkt die Sonne keine Vitamin D-Bildung bei Dir.
(8): Dies ist auch abhängig von der Höhenlage.
(9): Um abzuschätzen, ob noch ausreichend Vitamin D gebildet werden kann, sollte überprüft werden, ob ein UV-Wert von mindestens 3 gegeben ist. Dies erfährt man kostenfrei mithilfe von Apps oder Internetseiten zum Thema Wetter.
(10): Entgegen früheren Annahmen und vielerorts noch zu findenden Angaben sind die Mitochondrien (die sog. „Kraftwerke der Zelle“) hieran nicht beteiligt. Zell-Organelle wie z.B. Mikrosomen, Mitochondrien oder Ribosomen sind quasi die Organe der Zellen.
(11): Hydroxylierung ist das Einführen einer oder mehrerer OH-Gruppen (Hydroxyl-Gruppe(n)), also bestehend aus Wasserstoff- und Sauerstoff-Atom, an eine bestehende Verbindung.
(12): Im natürlichen Sonnenlicht ist das meiste Tachysterol schnell wieder zurück in Prävitamin D3 umgewandelt. Beim Lumisterol sieht es anders aus: Es werden viel schneller neue Lumisterol-Moleküle aus Prävitamin D3 gebildet, als dass sich Lumisterolmoleküle in Prävitamin D3 umwandeln können. Daher baut sich über die Zeit ein Speicher aus Lumisterol-Molekülen in der Haut auf. Diese haben eine Schutzfunktion, da sie im entscheidenden Frequenzbereich dem Prä-Vitamin D die Photone „wegschnappen“ und so eine zu starke Vitamin D-Bildung verhindern [9].
Im Übrigen ist Lumisterol keineswegs völlig inaktiv bzw. erfährt durch erst vor anderthalb Jahren entdeckte Hydroxylierungswege die Umwandlung in verschiedene biologisch aktive Substanzen mit antiviralem Potential (siehe auch Kap. 5).
Quellen:
[5]: Engelsen, Ola: The Relationship between Ultraviolet Radiation Exposure and Vitamin D Status, in: Nutrients, 2010, 2, S. 482-495. URL: https://doi.org/10.3390/nu2050482 [10.03.2021].
[6]: Davie M, Lawson DE. Assessment of plasma 25-hydroxyvitamin D response to ultraviolet irradiation over a controlled area in young and elderly subjects. Clin Sci (Lond). 1980; 58: 235-242.; Zur Physiologie von Vitamin D, B. Lehmann, 2011
[7]: Bruce W Hollis, Carol L Wagner, Vitamin D requirements during lactation: high-dose maternal supplementation as therapy to prevent hypovitaminosis D for both the mother and the nursing infant, The American Journal of Clinical Nutrition, Volume 80, Issue 6, December 2004, Pages 1752S–1758S, https://doi.org/10.1093/ajcn/80.6.1752S
[8]: Hollis BW, Wagner CL, Howard CR, Ebeling M, Shary JR, Smith PG, Taylor SN, Morella K, Lawrence RA, Hulsey TC. Maternal Versus Infant Vitamin D Supplementation During Lactation: A Randomized Controlled Trial. Pediatrics. 2015 Oct;136(4):625-34. doi: 10.1542/peds.2015-1669. Erratum in: Pediatrics. 2019 Jul;144(1): PMID: 26416936; PMCID: PMC4586731.
[9]: J. A. Maclaughlin, R. R. Anderson, and M. F. Holick. Spectral Character of Sunlight Modulates Photosynthesis of Previtamin D3 and Its Photoisomers in Human Skin, Science, 28 May 1982, Vol 216, Issue 4549, pp. 1001-1003, DOI: 10.1126/science.6281884
[10]: Bekemeier H (1969) Evolution der Hautfarbe und kutane Vitamin-D-Photosynthese. DMW-Deutsche Medizinische Wochenschrift 94:185–189
[11]: https://www.bfs.de/DE/themen/opt/uv/wirkung/hauttypen-test/hauttypen-test_node.html.