Dramatische Meldungen auf allen Kanälen der „Qualitätsmedien“ vermelden schlimme Zahlen aus Frankreich. Steht Frankreich gerade am Beginn einer Horror-Killer-Zombi-Welle? So zumindest klingen die Schlagzeilen.
- ntv: „Infektionszahl auf Rekordhoch: Frankreich droht das Virus zu entgleiten“
- tagesschau.de: „Frankreich: Infektionszahl erreicht Rekordwert“
- Berliner Morgenpost: „Corona: Frankreich erreicht traurigen Rekord – Donald Trump unter Druck“
- BR24: „Frankreich meldet knapp 10.000 Corona-Neuinfektionen
Auch Prof. Dr. „Public Health“ Karl (un)Lauterbach sieht die Entwicklung in Frankreich als „Letzte Warnung für uns…“.
Aus Deutschland haben wir ja schon gelernt, dass es ratsam ist, bei Schlagzeilen über „Steigende Neuinfektionen“ erst mal die Original-Zahlen des RKI zu prüfen, ob nicht vielleicht nur durch steigende Test-Zahlen die offiziellen Fallzahlen in die Höhe gejagt wurden.
Nach all den Warnungen vor Fake-News sind wir sensibilisiert und machen daher schnell einen provisorischen Faktencheck. Die COVID-19-Todeszahlen hinken den Infektionszahlen um etwa 2 Wochen hinterher. Falls die ansteigenden französischen Zahlen tatsächlich ein drastisch ansteigendes Infektionsgeschehen widerspiegeln würden, dann wäre zu erwarten, dass mit etwas Verzögerung die Todeszahlen in gleicher Weise ansteigen. Da diese Meldungen aus Medien des „Qualitätsjournalismus“ kommen, gehe ich davon aus, dass die verantwortlichen „Journalisten“ sorgfältig recherchiert haben, bevor sie solche krassen Überschriften schreiben, und wesentlich mehr Prüfungsarbeit geleistet haben als mein 2-Click-Plausibilitäts-Check. Was sagen nun die geheiligten WHO-Zahlen?
Zwischenfazit nach erstem Fake-News-Plausibilitäts-Check: die Überschriften LÜGEN!
Die Zahlen deuten NICHT auf ein zunehmendes Infektionsgeschehen hin, da dann auch die Todeszahlen mit den Infektionszahlen mitsteigen müssten. Stattdessen ist davon auszugehen, dass – wie auch in Deutschland – die Testhäufigkeit massiv gesteigert wurde, und somit bei mehr Tests automatisch auch höhere „Fallzahlen“ entstehen. Das schließt einen tatsächlichen Anstieg des SARS-CoV-2 Infektionsgeschehens zwar nicht aus. Aber aus den vorliegenden Zahlen lässt sich das so nicht ableiten. Das Mindeste für einen „Qualitätsjournalisten“ wäre, die seit Monaten bemängelte Kritik zu berücksichtigen, dass die Test-Positiv-Zahlen mit der Test-Häufigkeit ins Verhältnis gesetzt werden müssen. Und?
ntv manipuliert Leser
Im ntv-Artikel wird immerhin im DRITTEN Absatz darauf hingewiesen: „Allerdings ist wie in vielen Ländern auch die Anzahl der Tests immens gestiegen“. Allerdings nicht, ohne zuvor die mit den Daten nicht belegbare Falsch-Behauptung zu verbreiten, die „Zahl der Corona-Neuinfektionen“ sei so hoch „wie nie zuvor“, und eine Verschärfung der „ohnehin strengen Maßnahmen“ in Aussicht zu stellen. Die gezeigte Grafik ist bewusst irreführend, da sie nur die wissenschaftlich wertlosen „steigenden Fallzahlen“ zeigt, nicht jedoch die Todeszahlen oder die Testhäufigkeit. Im Ergebnis ändert das Feigenblatt-artige Zugeständnis der steigenden Testhäufigkeit nichts an der manipulativen Ausrichtung dieses Propaganda-Artikels.
tagesschau: gebührenfinanzierte Demokratiefeinde?
Macht es die Tagesschau-Berichterstattung zumindest nach der manipulativen Fake-News-Überschrift besser? Auch hier beginnt der fett-gedruckte Teaser-Text mit der schon unzählige Male wiederholten und durch die Zahlen nicht unterstützten Falschmeldung: „Die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus in Frankreich steigt weiter“. Soweit – so schlecht. Das Wording ist im weiteren Text etwas vorsichtiger, es wird indirekte Rede verwendet, und auf AFP und das französische Gesundheitsministerium verwiesen.
Auch hier findet sich erst im dritten Absatz der Verweis auf die in vielen Ländern gestiegenen Testzahlen, allerdings nicht wie bei ntv „immens“. Auch hier rettet dieses Feigenblatt die vorgetäuschte journalistische Sorgfalt und Ausgewogenheit nicht. Ein Video ist eingebettet mit der Fake-News-Überschrift: „Höchster Zuwachs an Neuinfektionen seit Beginn der Pandemie“ mit suggestivem Angst-Panik-Krankenhaus-Vorschaubild – ganz im Sinne der vom BMI „gewünschten Schockwirkung“. Ganz beiläufig wird erwähnt, dass derzeit große Versammlungen verboten seien – als wäre es das normalste auf der Welt. Kein Halbsatz wird auf den Hinweis verschwendet, wie weit wir uns von den Grundpfeilern der Demokratie entfernen, wenn das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ausgehebelt wird.
Berliner Morgenpost nennt Testzahlen
In der Berliner Morgenpost erfahren wir wenigstens mal die Zahl der Tests: über eine Million pro Woche, davon 48.542 positiv. Damit ist die Test-Positiv-Rate mehr als fünf mal höher als in Deutschland, wo sie seit Wochen stabil unter 1 Prozent liegt (aktuell: 0,74 Prozent). Hier würde Qualitätsjournalismus beginnen, wenn die sich daraus ableitenden Fragen gestellt und untersucht würden. Z.B. die Frage, ob schärfere Maßnahmen die „Erlösung“ sein können, wenn in Frankreich jetzt schon schärfere Maßnahmen herrschen als in Deutschland, dort aber angeblich die Infektionszahlen steigen, während in Deutschland die Test-Positiv-Rate stabil bleibt.
Da auch dieser Bericht mit der manipulativen Falschaussage „Rekordzahl von fast 10.000 Neuinfektionen in 24 Stunden“ einsteigt, bleiben die „Journalisten“ der Berliner Morgenpost vom vernichtenden Urteil „Fake-News“ nicht verschont.
BR24: Versagen auf ganzer Linie
BR24 versagt leider auf ganzer Linie. Da wird sprachlich unsauber „Stand an Neuinfektionen“ und „Zahl der positiven Corona-Befunde“ nacheinander verwendet, als wäre es das Gleiche. Zudem fehlt jeglicher Hinweis auf die gestiegenen Testzahlen. Auch wird nicht klar, wer in der BR24-Redaktion verantwortlich ist für diese blind von Nachrichtenagenturen wie dpa und afp übernommene Propagandameldung. „Feiern und Urlaubsreisen“ werden als Ursache genannt und damit zur neuen Erbsünde erklärt: ihr seid alle egoistisch und schuldig, wenn ihr außer Arbeiten noch andere Dinge tun wollt, die das menschliche Leben lebenswert machen.
Nach Konsum von „Qualitätsjournalismus“ ist man dümmer als zuvor
Fazit: Mal wieder die übliche Panikmache mit absoluten Zahlen. Journalistische Sorgfalt? Fehlanzeige! Nach dem Lesen dieser Artikel ist man dümmer als vorher. Die wichtige Aufgabe von Journalisten wäre es, uns das Recherchieren abzunehmen und uns ausgewogen und neutral die Recherche-Ergebnisse zu präsentieren. Diese Arbeitsverweigerung der „Journalisten“ zwingt uns, das alles selbst zu tun, alles zu hinterfragen und nichts mehr zu glauben. Sapere aude!