Der folgende Text wurde mir von einem Schüler aus der Region zugesandt.
„Wir haben nichts gewusst!“
Ich habe mir Gedanken gemacht, die mir sowieso gekommen wären. Und sie aufgeschrieben. Wer lachen will, ist herzlich eingeladen. Die traurigen Zeiten, in denen wir leben, werden lang.
Am vergangenen Dienstag hatten wir in unserem Klassenraum eine Besprechung. Vor versammelter Klasse, räumlich säuberlich einer hygienischen Sitzordnung unterworfen, verkündete meine Tutorin, uns allen jetzt die aktuellen Abläufe im Zusammenhang mit eventueller Quarantäne einmal wirklich verständlich erläutern zu wollen. Bis zu diesem Punkt barg der Tag für mich keinen besonderen geistigen Anspruch. Dann aber folgte über einen Zeitraum von etwa 60 Minuten ein Paradebeispiel für wirklich ausgereifte terminologische Unkenntnis, welches wieder zu geben mir in der Tat schon jetzt schwer fällt:
Man solle sich keine Sorgen machen um jene Deutsch-Lehrkraft, die jetzt aufgrund eines positiven Tests auf Covid-19 in Quarantäne sei. Sie sei insofern zwar erkrankt, aber symptomfrei, es ginge ihr gut. Das sei behördlich so angeordnet. Die andere Deutsch-Lehrkraft, die sich ebenfalls in Quarantäne befände, sei aktuell noch nicht positiv getestet, damit ginge also von ihr auch keine Gefahr aus.
Es bleibe zunächst nur bei diesem Auszug, der aber repräsentativ verstanden werden soll.
Ich hatte an dieser Stelle kurz mit mir gerungen, dann aber auf den Versuch einer Korrektur verzichtet. Zu aussichtslos schien mir ein solches Unterfangen. Zunächst, hätte ich wohl gesagt, stellt ein positiver Test kein Äquivalent zu einer Erkrankung dar. Auch kann eine Kranke unabhängig von der Krankheit kaum symptomfrei sein. Weiterhin sollte es mich wundern, dass ein Test auf Covid-19 durchgeführt würde, da Covid-19 eine zumeist schwere Erkrankung und insofern augenfällig ist, weshalb sich die wohl gemeinten PCR-Tests auch nur um eine Feststellung des hierfür ausschlaggebenden Virus Sars-CoV-2 bemühen. Eine Behörde, die eine Covid-19-Betroffene in Quarantäne nach hause und nicht etwa umgehend in eine Krankenhaus entsendet, gibt es in Deutschland hoffentlich nicht. Dass von der zweiten Betroffenen ohnehin nicht zwingend eine Gefahr ausginge, selbst wenn sie mit positivem Ergebnis getestet wäre, hätte ich wohl nur am Rande erwähnt, denn die Idee, dass der Test verlässlich Infektionen nachweise, vereinfacht komplexe Fragestellungen in simpelster AfD-Populismusmanier. Und die Zusammenfassung, dass der Vortrag folglich nicht sonderlich gewinnbringend war, hätte ich mir wohl selbst im Falle einer Korrektur verkniffen.
Aus einer Deutschen Schule, November 2020
Schon auf dem Schulweg mahnen Plakate an Bushaltestellen: „Hessen, bleibt besonnen!“. Ein junger Mann in Küchenmontur auf dem Bild darüber trägt eine Maske, die seinen vermutlich aufheiternd gemeinten Gesichtsausdruck unkenntlich macht: „Halte dich an die Regeln, dann behalte ich meinen Job.“
Nötigung. Für mein Gefühl. Vor allem, weil dabei nicht einmal mehr auf eine gesundheitliche Bedrohung hingewiesen wird, sondern die Regeln plakativ für sich stehen.
Auf dem Boden davor ist mit Graffiti, vom Oberbürgermeister persönlich, ein Mund-Nasen-Schutz aufgesprüht. Jeder Hobbysprayer, den ich kenne, hätte etwas Kreativeres hinbekommen, ohne sich dabei von der Lokalpresse noch fotografieren zu lassen, aber Vandalismus ist auch nicht mehr das, was es mal war. Den Rest einer jeden Straße hat man mit blauen Plakaten geschmückt: „Masken und Abstand!“. Mittlerweile trifft man die sechsköpfige Gruppe breitschultriger Stadtarbeiter, die sich beim Anbringen dieser Plakate eng um jede Laterne einzeln scharrte und Vollbärte intern scheinbar als geeigneten Ersatz für Stoffstücke anerkannt hatte, nicht mehr.
Was sie selbst nicht weiß
Das Schulgelände, einmal erreicht, ist seit einiger Zeit schon nicht mehr belebt, sondern umstellt. Wer es irgendwie mit seinem Gewissen vereinbaren kann, kommt morgens gerne zu spät zum Unterricht, um ohne Maske vor der Hofzufahrt dicht beisammen zu stehen. Zu hart sind die Beschränkungen mit Durchschreiten derselben. So man etwas Glück hat, schnappt man Gesprächsfetzen auf, in der Art von „Digga, es ist voll scheiße, dass die Gesichtserkennung von Apple mit Maske nicht funktioniert!“. Ja, wirklich. Die Aufsicht hat nur Minuten später Mühe, den Schülern zu erklären, was sie selbst nicht weiß: Weshalb man jetzt mit Betreten des Parkplatzes infektiös ist, vorher aber nicht. Weshalb sie mitten im Winter Decken und Parkas mitbringen sollen. Weil man in Klassenräumen ständig lüftet? Weil frische Luft Viren an der Verbreitung hindert, wo man doch an der frischen Luft – solange man auf dem Schulgelände bleibt – einen Mund-Nasen-Schutz tragen soll? Umgekehrt wundert sich kaum noch einer, da die logische Folgerung aus der Gefahrenlage zuvor dazu geführt hatte, dass man die Masken nur an der frischen Luft trug, in geschlossenen Räumen aber nicht. Die Öffnung der Fenster in Klassenräumen war pünktlich zu den ersten Minusgraden im Wetterbericht verfügt worden, wohlbemerkt mit dem Kommentar, man wolle die Schülerinnen und Schüler in der Krankheitszeit ab Mitte Oktober keinem gesundheitlichen Risiko aussetzen. Nun beschleicht den unvorbereiteten Betrachter an manchen Tagen bei Betreten einer voll besetzten Mathematikklasse das Gefühl, sich in ein nordsibirisches Gulag der späten Dreißigerjahre verirrt zu haben, wo demotivierte Gestalten in allem, was sie an Textilien bei sich haben, mit leerem Blick auf ihren Plätzen verharren und mit ihrem Leben schon abgeschlossen zu haben scheinen. Ich war nicht erstaunt, zu hören: „Vielleicht sollte ich besser schwänzen. Früher war mein Argument noch, dass es ja in der Schule wenigstens warm ist, und ich deshalb nicht nach Hause laufen sollte. Das ist jetzt auch egal.“
Da dieser Spruch von einer Freundin kam, habe ich gelacht. Das soll nicht täuschen. Eigentlich ist es zum Heulen. Und es hätte wenigstens als düsteres Vorzeichen gewürdigt werden können, dass sich eine Schülerin aus meinem Leistungskurs eine gute Woche vor dem Inkrafttreten dieser Regeln an einem während des Unterrichts geöffneten Fenster so den Kopf stieß, dass sie einige Tage im Krankenhaus verbrachte.
In der Pause steht wieder alles zusammen, beim Raucherplatz. Denn: Wer raucht, muss keine Maske tragen. Zugeständnis der Schulleitung. Sicher, man hätte auch das verbieten können, aber dann wäre es vermutlich zu einer Menge Corona-Todesfälle gekommen, wenn die ohnehin meist volljährigen Schüler einfach das Schulgelände verlassen und auf der angrenzenden Straße geraucht hätten. Zigaretten sind eben ein hohes Gut, dass auch in Krisenzeiten nicht einfach ausbleiben kann. Und, bei aller Solidarität, es wäre ja grob widersinnig, das Rauchen einzustellen, um sich und andere in seiner Umgebung vor einer gefährlichen und tödlichen Lungenkrankheit zu schützen. Solche roten Linien sind unverletzlich. Immerhin rückt diese Situation allen, die weder wirklich rauchen, noch Masken tragen wollen, die Suchtpräventionstage in der Mittelstufe wieder ins Gedächtnis, wo es hieß: „Auch wer passiv raucht, raucht!“. So stellen sie sich einfach dazu, und schon gibt die kontrollierende Aufsicht alle Beschwerden auf, weil sie in Gewissenskonflikten enden würden.
„Hier bin ich infektiös!“
Im Sportunterricht ist man sich nicht so recht einig, wo man nun wie wann infektiös ist und oder wo man es wie wann nicht ist. Auch die entsprechende Fachschaftskonferenz fördert keine wirklich schlüssigen Ergebnisse zutage. Eines ist sicher, in Sport- und Schwimmhallen findet bis auf weiteres kein Unterricht mehr statt. Also auf dem Schulhof. Und so versammelt man sich hier in voller Klassenstärke, um sich zu besprechen. Auf Einhaltung der Maskenpflicht wird streng geachtet. Sobald man nicht mehr bespricht und der Lehrer sich seinen Schläger schnappt, um diverse Federbälle allen sachlichen Argumenten hinterher in den viel zu starken Herbstwind zu schlagen, kommen die Masken sofort ab. Für sportliche Aktivitäten gelten Ausnahmen. Auch wenn sich die Situation sonst nicht verändert hat. An manchen Tagen war ich nach solchen Erlebnissen so verzweifelt, dass ich mich an die Grenze des Schulgrundstücks gestellt habe, abwechselnd einen Vorwärts- und einen Rückwärtsschritt gemacht habe, um dazu passend „Hier bin ich infektiös!“ und „Hier nicht!“ zu murmeln. Die Worte meines Sportlehrers – „Es geht hier nicht um Sinn, es geht um die Einhaltung von Regeln!“ – nehme ich ihm ehrlich nicht übel, weil er sie genauso bedauernd betont hat, wie ich es getan hätte. Und wer weiß, wie hilfreich solche Leitsätze in kommenden Diktaturen noch werden können.
„Recht muss sich Unrecht nicht beugen!“
In der nächsten Pause verhandele ich mit der Schulleitung. Masken für Leute mit Attest, stelle ich klar, das kann nicht sein. Es macht ja auch überhaupt keinen Sinn, denn gerade diejenigen, die Risikogruppe für das Virus sind, sind oft von der Maske befreit. Sie dann damit doch zu schädigen, dürfe nicht gewollt sein, erkläre ich. Man könne nicht mit Sinnhaftigkeit argumentieren, erwidert mein Schulleiter, die Presse säße einem nunmal im Nacken und man habe Angst vor der Öffentlichkeitswirksamkeit, die ein Abweichen von der Maskenpflicht habe. Ich könne ja ein, wenn auch vollkommen nutzloses, Face-Shield tragen. Das sei vertretbar. Außerdem wolle man das Attest überhaupt erstmal vorgelegt bekommen.
Hier wird es wirklich relativ ernst. Denn auch wenn es gerne so dargestellt wird, steht sowas in den behördlichen Anweisungen für unseren Landkreis absolut nicht drin. Im Gegensatz zu diverse Beamten hatte ich wohl dummerweise die Zeit, die Unterlagen dazu auch wirklich zu lesen, bevor ich mich auf sie berufe. Vielmehr ist hier festgelegt, dass der Schulleiter zunächst die Möglichkeit hat, im Einzelfall aus quasi allen Gründen, nämlich ausdrücklich nicht nur medizinischen, entweder ein Face-Shield oder eine komplette Befreiung anzuordnen. Man kann das als sehr erfolgreichen Versuch verstehen, die Verantwortung auf die unterste Ebene abzuwälzen. Was ich schon beeindruckend rücksichtslos fände, weil ein Schulleiter normalerweise kein Arzt ist und entsprechend die gesundheitliche Situation seines Gegenübers nicht fachmännisch genug einschätzen kann, um fundierte und angemessene Entscheidungen zu treffen. Atteste oder irgendeine Form von Nachweis darüber werden nicht einmal erwähnt. Und da die Landesverordnungen die Pflicht zum Nachweis eines Attestes noch nie beinhalteten, wüsste ich nicht, wo Solcherlei plötzlich her kommen sollte. Wenn jemand die Befreiung zum Beispiel akut temporär, also plötzlich für kurze Zeit, benötigt und ansonsten kerngesund ist, ist es ja auch unsinnig, nach einem Attest zu fragen. Dass ihr Vorgehen also rechtswidrig ist, kümmert die Schulleitung aber nur begrenzt. Meine Bedenken seien zur Sprache gekommen, aber das könne man ja mit anderen Stellen, zum Beispiel dem Kultusministerium, klären. Das sei ja auch dafür verantwortlich, und nein, an der Schule hafte für solche Probleme sicher niemand.
Zu erwähnen, dass solche Aussagen schlicht und ergreifend falsch sind, hilft bei diesem Verhandlungsstand nicht weiter. Das würde ich zumindest aus meiner Erfahrung so sagen. Natürlich haftet jeder Beamte für seine Schandtaten selber. Steht im Bundesbeamtengesetz. Übrigens im selben Paragraphen, in dem auch drin steht, was ein verbeamteter Lehrer so zu tun hat, wenn er mit der Nase auf juristische Probleme mit Dienstanweisungen von Vorgesetzten gestoßen wird. Nennt sich Remonstrationspflicht. Kommt im Unterricht nicht vor, ist aber zumindest für solche Nationen wichtig, die sich für demokratisch und rechtsstaatlich halten. Und noch ein Tipp: Der Grundsatz „Recht muss sich Unrecht nicht beugen“ kommt zwar im Unterricht vor. Daran würde ich allerdings in solchen Situationen auch nicht erinnern. Man wird dann nämlich ausgelacht, oder das Thema wird gewechselt. Bezeichnend, ja, aber nicht zielführend. Zielführend ist es, nach einer Weile mit glücklicher Mine zuzustimmen, als wäre das Gespräch gut verlaufen, die Forderungen des Gegenübers höflich zu akzeptieren und dann schlicht auf sie zu scheißen. Mag vulgär klingen, ist aber ganz pragmatisch gemeint: Wenn es darum geht, für einen Maskenverweigerer in letzter Konsequenz doch die Polizei rufen zu müssen, dann gucken viele Lehrer lieber mal kurz weg. Immerhin sitzt ihnen die Presse im Nacken. Und man muss hier immerhin die eigene Gesundheit verteidigen.
Wissen, das andere gar nicht haben wollen
Politikunterricht ist erheiternd. Ich kann mit Wissen brillieren, das andere gar nicht habe wollen. Fragwürdiger, aber komfortabler Stand der Dinge. Thema Nummer Eins: die steigenden Infektionszahlen im Kreis. Eine Bedrohung für die Menschheit. Ich verweise auf die zweifelhafte Kausalität. Mit den Infektionszahlen, sage ich, sind wohl die steigenden Zahlen positiver Testergebnisse gemeint. Anders macht es ja keinen Sinn. Aber wer sagt denn, dass die Testergebnisse irgendwas mit einer Infektion zu tun haben?
Schweigen. Kurz knurrender Protest aus der hinteren Ecke des Raums, mein Einwand führe doch zu nichts.
Ich fahre fort. Man weiß ja so recht nicht, wer überhaupt wann weshalb wen mit welchem Test aus welchem Grund auf was getestet hat, ob der Test überhaupt funktioniert und ob sein Ergebnis richtig interpretiert würde. Fakt ist, dass man bei den fehlerhaften Tests bisher zumindest weiß, dass sie der Positiv-Summe zugute kommen, sodass schon deshalb steigende Zahlen eher in Frage gestellt werden müssten als sinkende Zahlen. Außerdem wird, sage ich, die Funktion der Tests verkannt, ihr Ergebnis also missinterpretiert. Ein Schüler aus dem Biologie-LK will mir widersprechen, ich weise ihn ab. „Ich habe darüber vor einem Dreivierteljahr eine Klausur geschrieben!“, und damals war die Sachlage noch klar: PCR-Tests weisen Teile eines Virus in einem Körper nach. Ob die Teile, die sie finden müssen, um positiv zu sein, im Zweifelsfall einem noch intakten oder einem kaputten Virus entspringen, weiß man davon nicht. Genauso wenig weiß man über Ausbreitung und Quantität der entsprechenden Viren – was für die Frage nach einer Infektion enorm wichtig wäre. Und zu guter Letzt sind immer Zweifel angebracht, ob jetzt das Virus, nach dem der Test sucht, überhaupt das ist, um das wir uns Sorgen machen.
Ich blicke in überforderte Gesichter. Ja, sage ich, das ist der Grund, weshalb in unserem Infektionsschutzgesetz die Rede davon ist, dass nur ein Arzt Infektionen feststellen kann. Ich will niemandem Unrecht tun, aber ich glaube sagen zu können, dass die Tests im Corona-Drive-In nicht von Ärzten durchgeführt werden. Schon deshalb ist die Infektionszahl im Kreis etwa bei null, formal gesehen.
Jetzt wird es den üblichen Verdächtigen im Raum zu bunt. Das sind all diejenigen, die zum Beispiel „Terror“ nicht nach Duden definieren können: Der IS ist eine Terrororganisation, er köpft Menschen, die ANTIFA nicht, sie ermordet ja nur solche, mit denen man sich ohnehin nicht gemein machen will. Gut, sie versuchen es nur. Mit den Steinen auf den Bus in Leipzig neulich waren sie aber verdammt nahe dran. Wie parteiisch das ist, will man nicht wahrhaben. Man wisse nicht, woher ich – und diese Aussage geschieht in einem Ton, der an Verächtlichkeit kaum zu überbieten ist – meine Informationen hernähme, aber aus glaubhaften Quellen kämen sie sicher nicht. Ja, sage ich, glaubwürdige Quellen sind zur Zeit ein Problem, zugegeben. Der Spiegel zum Beispiel bekommt es nicht einmal hin, seinen Lesern zu vermitteln, dass es in der US-Wahl 2020 noch nach knapp zwei Wochen keinen Sieger gibt, und lügt und behauptet äußerst einseitig das Gegenteil. Ob das Propaganda ist, frage ich. Mit solch wertenden Begriffen müsse man vorsichtig sein, wirft mein Lehrer ein. Ich schweige. Das Thema scheint mir erschöpft. Zumindest mit diesen Gesprächspartnern.
Aber auch hier muss man fair bleiben. Ich werde an meiner Schule zumindest im Politikunterricht nie daran gehindert, etwas zu sagen, was ich für wirklich wichtig halte. Und ich arbeite unter den Augen eines Lehrers, der eigenes Unwissen freundlich eingestehen kann. Das ist vielen meiner Gleichaltrigen, auch an meiner Schule, mit anderen Kollegen schon versagt. Auch möchte ich positiv erwähnen, dass es meinem Politiklehrer selbst bei deutlich unterschiedlichen Auffassungen zu einem Thema stets um Fairness und Verfassungstreue geht. Loben will ich das nicht, dafür sollte es zu selbstverständlich sein, was es aber de facto nicht ist. In viel zu vielen Stunden, in denen unser aktuelles Thema Nummer Eins einmal aufkommt, ist die Meinung der Lehrkraft Programm. Auch solche Eindrücke durfte ich persönlich schon sammeln, ohne dass dabei mit Fairness gearbeitet wurde.
Wir haben nichts gewusst
Heimweg. Schluss. Ich fühle mich erschlagen von der feindlichen Übermacht. Warum meine Mitschüler und Mitschülerinnen sich nur so feige anstellen, frage ich mich. So hörig gegenüber stupiden Anweisungen, die eine rebellische, pubertäre Jugend doch aus Ehrgefühl gegenüber den Klischees ablehnen müsste. Dabei stelle ich im Nachdenken immer wieder fest, dass mir Dinge, die mich zunächst ernüchternd überrascht haben, im Nachhinein ganz schlüssig vorkommen. Zum Einen ist es gar nicht so sehr überraschend, dass es keine Rebellion gibt. Rebellion kommt doch meistens von den Unterdrückten, und selten von denen, die unterdrücken. Noch klappt es ganz gut, die Schuld aggressiv auf die zu schieben, die im Unterricht dann eben doch keine Maske tragen. Noch lässt sich die Realitätsverwurstung zumindest derart zurecht biegen, dass man sagt: ja, die Maske ist doof, ja, die ganzen Einschnitte sind doof, aber man weiß ja, dass all das nicht nötig wäre, würden nur alle mitmachen. „Eine ganz kleine Clique gewissenloser Offiziere…“, hatte Hitler die Stauffenberg-Verschwörer nach seinem Überleben genannt. Die Wenigen in den eigenen Reihen, die es dann waren, wenn das Ziel von Anfang an nicht zu erreichen war. „Ich fasse das als eine Bestätigung des Auftrages der Vorhersehung auf…“, hatte er sein Überleben am 20. Juli 1944 kommentiert, bevor die Repressionen gegen seine Kritiker und gegen Verweigerer seiner Politik noch heftiger wurden. Welch eindrucksvolle Parallele ich hier aus den vergangenen Geschichtsunterricht-Stunden ziehe, die man so nicht ziehen darf. Und ich schäme mich ein bisschen. Natürlich wollen sich die ganzen treuen Bürger nicht mit brutalen Faschisten vergleichen lassen, dass ist richtig, und sicher, es sind keine Massenmörder. Bisher wurde nur vorgeschlagen, Quarantäneverweigerer in die Klappsmühle zu verfrachten. Und man hat nur angekündigt, Leute ohne Immunitätsnachweis von dem öffentlichen Leben auszuschließen, indem man ihnen keine Tickets für Veranstaltungen mehr verkauft. Und man hat meistens noch daran gedacht, klarzustellen, dass es keine Denunziation ist, zu melden, wenn Nachbars Kinder die Oma besuchen. Man meldet ja nur Straftaten, im Sinne des ganzen Volkes. Das sind keine Anwandlungen von faschistischem Denken, das ist gut gemeinter Minderheitenschutz. Ganz speziell in der psychischen Behandlungsanstalt, wo man sogar vor sich selbst sicher ist. Vor allem aber geht es ja um die Gesundheit der anderen, die sich so brav an alles Gesagte gebunden fühlten und sich nicht noch anstecken wollen bei denen, die so unsolidarisch waren. Wobei, ganz ehrlich, eigentlich sind es Massenmörder. Der Genozid an Nerzen ist relativ umfassend, und diese komischen Apparate, in die die Tiere oben rein geworfen werden und unten tot wieder raus kommen, die erinnern mich sehr an Genickschussanlagen. Vielleicht wollen sich gutmütige Zeitgenossen auch nur mit denen nicht vergleichen lassen, von denen sie selbst ständig sagen, dass man gegen sie rebellieren muss. So ungefähr in der Art wie „Diese Regeln dürfen nicht hinterfragt werden!“. Das wäre ja wieder ein absolut bahnbrechender Schluss, den man nicht schließen darf. Und das Zitat kam von diesem Tierarzt, der sich, anstatt den Nerzen zu helfen, in den falschen Fachbereich verirrt hat und jetzt mit Menschen ansatzweise so umgeht wie ein Bauer mit Schafen. Mich beschleichen böse Ahnungen.
Immerhin haben die meisten meiner Bekannten, die meisten Leute in meinem Umfeld Jura nie studiert. So ist es weniger fatal, dass sie das Grundgesetz scheinbar nie wirklich begriffen haben: Geschaffen von Demokraten, um der Bundesrepublik Deutschland in jeder Krisensituation unverwüstliche Säulen zu verleihen. Die sie tragen sollen, wenn jemand versucht, die Rechte der Bürger zu untergraben. Als Schutz. Von wegen.
Ich höre Diskussionen, in denen es heißt: Grundrechte, schön und gut, aber es gäbe immerhin auch noch ein Infektionsschutzgesetz. Das bedarf keines Kommentars. Oder Diskussionen, in denen es heißt: Datenschutz bei dieser Corona-App, schön und gut, aber man habe jetzt schon so viele Grundrechte eingeschränkt, da solle man darüber nicht so ein Aufhebens machen.
Ich habe Verständnis für Verzweiflung. Irgendwann werden wir sie wohl haben, unsere Übersterblichkeit, wenn wir die Suizid-Opfer und die Impfschäden-Folgetoten im Hinterland in eine Grube kippen, wie Dänemark seine Nerze. Aber dann ist es auch nur noch eine gewisse Zeit, bis wieder alle sagen:
„Wir haben nichts gewusst!“
Bravo! Bravo, habe es eben laut in der Familie vorgelesen und wir haben uns totgelacht. Herrlich! Herzlichen Dank für diesen wunderbaren Text, unbedingt aufheben der muss irgendwann ins Corona Museum, wenn die ganze Scheiße vorbei ist. Was für eine erbärmliche Schule mit Personal, das sich bis zu seiner Pensionierung eigentlich nur in Grund und Boden schämen kann. Furchtbar! Und wehe irgendwer erzählt mir später:
„Wir konnten es ja nicht wissen!“
Doch, konntet ihr!
Ihr wolltet nicht!