„Imagine there’s no countries
It isn’t hard to do
Nothing to kill or die for“
So heißt es in John Lennons Song „Imagine“.
Dieser Song wurde auch am 25.02.2023 in Marburg auf einer von der „Initiative Zeitenwende“ organisierten Demonstration auf dem Marktplatz gesungen. Im Kontrast dazu standen die immer wiederkehrenden Rufe
„Slawa Ukrajini! Herojam slawa!“ – „Ruhm der Ukraine! Ruhm den Helden!“
Hauke Friedrichs schrieb dazu am 15.03.2022 in der Zeit:
„Der Slogan geht auf die Zwanzigerjahre zurück und wurde von Stepan Bandera und seinen Anhängern geprägt. Sie bildeten einen einflussreichen und gewaltbereiten Flügel der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), die in der Zwischenkriegszeit für einen unabhängigen ukrainischen Staat kämpften. Die Ultranationalisten verübten Anschläge und sympathisierten mit dem nationalsozialistischen Deutschland. Zwei Kompanien der OUN nahmen an der Seite der Wehrmacht 1941 am Angriff auf die Sowjetunion teil. Sie waren zudem in Pogrome gegen Juden und Massenmorde involviert.“
Zeit Online, 15.02.2022
Der Historiker Frank Golczewski erläuterte 2018 in einem Interview bei Telepolis weitere Hintergründe:
Man kann also ohne weiteres sagen, dass dieser Slogan „Slawa Ukraini! Herojam Slawa!“ auf Faschisten zurückzuführen ist, die sich auch selbst als Faschisten bezeichneten. Er wurde dann der Spruch der OUN. Und das führt auch in die Jetzt-Zeit: Im April 2015 wurde in der Ukraine ein Gesetz verabschiedet, dass man die „Kämpfer für die Unabhängigkeit“ zu ehren habe. Und wer sie nicht ehre, der handle widerrechtlich. Da sind auch schon einige Prozesse gelaufen.
Telepolis, 16.08.2018: „Slawa Ukraini!“: Poroschenko versucht, rechtsradikale Wähler hinter sich zu scharen
Wenn zumindest ein Leben mehr gerettet wird
Der 16 Jahre alte Artem Sverhum aus Mariupol erzählte seine traurige und bewegende Geschichte. Seine Übersetzerin gab ihn u.a. mit folgenden Worten wieder: „Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt – selbst die kleinste – irgendwie zu helfen, dass zumindest ein Leben gerettet wird, zumindest ein Leben mehr, dann hat es sich gelohnt, hier auf der Bühne zu stehen und zu Euch zu reden.“
Sowohl Hubert Kleinert, der Organisator dieser Demo, als auch „Friedensforscher“ Thorsten Bonacker forderten jedoch weitere Waffenlieferungen, denn Putin dürfe nicht gewinnen.
Am gleichen Tag sprach etwa 500 Kilometer entfernt in Berlin Erich Vad auf der „Aufstand für Frieden“ Kundgebung, die Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiiert hatten.
Erich Vad ist ein Brigade-General a.D. und ehemaliger Militärberater von Bundeskanzlerin Merkel. Für ihn ist klar, dass weitere Waffenlieferungen die militärische Lage nicht grundlegend verändern werden. Stattdessen entwickelt sich der Krieg zu einer Abnutzungsschlacht, in der noch mehr Menschen sinnlos sterben und Lebensgrundlagen zerstört werden, ohne dass sich am Patt auf dem Schlachtfeld etwas ändert. Auch die Analyse der RAND-Corporation und die Einschätzung von Mark A. Milley (US Generalstabs-Chef) kommen zu diesem Schluss. Wenn das also stimmt – so bewirkt die Forderung von Kleinert und Bonacker genau das Gegenteil dessen, was Artem Sverhum sich von seinem Auftritt bei der Demo erhofft hatte.
Aljona Marchenko sang zum Schluss „Imagine“ von John Lennon auf drei Sprachen: Ukrainisch, Englisch und Deutsch. Zumindest im englischen und deutschen Teil ihres Vortrages tauchten die Zeile „Imagine there’s no countries“ und „Nothing to kill or die for“ jedoch nicht auf. Dafür schloss sie mit „Slawa Ukrajini“.
Behinderung der Berichterstattung
Ein Aktivist der „Zeitenwende“ störte sich daran, dass es neben dem Gebührenfunk auch noch unabhängige Filmberichterstattung geben könnte. Mit einem Zettel mit einem Liedtext von John Lennon sowie mit einer EU-Fahne versuchte er, die Kamera zu verdecken. Er war offenbar der Meinung, die Pressefreiheit gelte in Deutschland nur für Staats- und Konzernmedien.
Für wen gilt die Pressefreiheit in Deutschland?
Eine klare Antwort gibt die Bundeszentrale für politische Bildung in ihrem Artikel: „NS-Schriftleitergesetz: Journalisten als Staatsdiener“:
Eine direkte Nachwirkung des Schriftleitergesetzes ist es, dass der Zugang zum Journalistenberuf in der Bundesrepublik nicht reguliert wird. „Journalist“ darf in Deutschland heute jeder sein. Und auch für die Funktion des „Redakteurs“ gibt es keine gesetzlichen Zugangsbeschränkungen. Selbst die Pressefreiheit wird im Grundgesetz nicht weiter ausdefiniert und an Voraussetzungen gebunden. Sie leitet sich schlicht aus Artikel 5 ab: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“
Bundeszentrale für politische Bildung, 29.12.2018: „NS-Schriftleitergesetz: Journalisten als Staatsdiener“
Zum Glück ist es – bei aller Kritik an den bedrückenden Zuständen – in Deutschland noch besser um die Meinungs- und Pressefreiheit bestellt als in der Ukraine, wie Berichte aus faz, ntv und taz zeigen.