Aus aktuellem Anlass zum Prozess in London gegen Julian Assange (21./22.2.2024)
von Ralph G. und Michael Thiel
Die kollektive Verfolgung von Julian Assange muss hier und jetzt enden!
Julian Assange, geb. 1971, vielfach preisgekrönter investigativer Journalist und Publizist aus Australien, maßgeblicher Gründer und Sprecher der Enthüllungsplattform WikiLeaks.
Ziel von WikiLeaks: geheim gehaltene Dokumente allgemein verfügbar zu machen, sofern sie unethisches Verhalten von Regierungen, Unternehmen oder militärischen Einrichtungen betreffen und somit von öffentlichem Interesse sind. Dafür erhielt Julian Assange zahlreiche Auszeichnungen, u.a.:
- Freedom of Expression Award (2008),
- Amnesty International Media Award (2009),
- Sam Adams Award (2010),
- Martha Gellhorn Prize for Journalism (2011),
- Global Exchange Human Rights Award (2013),
- Stuttgarter Friedenspreis (2020),
- Günter-Wallraff-Preis (2022) und
- Konrad-Wolf-Preis (2023). [2]
Auch wurde Assange von der Friedensnobelpreisträgerin Mairead Corrigan seinerseits für den Friedensnobelpreis 2019 vorgeschlagen. [2]
2012 suchte Assange aus Angst vor einer Auslieferung an die USA Zuflucht in der Botschaft Ecuadors in London, wo er bereits fast 7 Jahre unter unwürdigen Bedingungen und auf engstem Raum leben musste. Dabei wurde er rund um die Uhr abgehört, schikaniert und mit dem Tode bedroht.
Seit seiner gewaltsamen Entführung von dort im April 2019 befindet er sich in Belmarsh, einem Hochsicherheitstrakt für Terroristen und Schwerverbrecher in London, in Einzelhaft.
Ohne Zugang zu Medien jeglicher Art, auch mit massiv eingeschränkten Kontakten selbst zu seinen Anwälten, muss er 22 bis 23, oft 23 ½ Stunden am Tag in einer heruntergekommenen Zelle von 6 qm Größe verbringen.
Die im Verlauf mehrfach gewechselten Rechtfertigungen für Assanges Inhaftierung sind mehr als fadenscheinig.
Auch gut begründete Anträge der Verteidigung werden immer wieder abgelehnt. Bereits bei mehreren der zuständigen Richter, die sich auch sonst nicht scheuen, ihre feindselige Haltung gegenüber Assange auf krasseste Weise zu demonstrieren, ist bereits deren engste Beziehung zu Rüstungsindustrie, Geheimdienst bzw. die Mitgliedschaft in einem transatlantischen Think Tank bekannt geworden.
Es wurde Julian Assange – 2021 trotz entsprechenden Ersuchens – untersagt, seinem Gerichtsverfahren persönlich beizuwohnen.
Derzeit steht er in den USA unter Anklage, wo ihm weitere bis zu 175 Jahre – verschärfter – Einzelhaft drohen, möglicherweise die Todesstrafe. Der Grund: Er veröffentlichte geheime Unterlagen der US-Regierung, die unter anderem schwerste Kriegsverbrechen wie das absichtliche Niedermetzeln unbewaffneter Zivilisten, Kinder und Journalisten belegen.
Folter-Vorwürfe schon seit Jahren, auch von höchster Stelle
Der vom UN-Menschenrechtsrat ernannte Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, besuchte Julian Assange im Mai 2019 im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Seine Worte sind alarmierend und könnten deutlicher kaum sein:
„In 20 Jahren Arbeit mit Opfern von Krieg, Gewalt und politischer Verfolgung habe ich noch nie erlebt, dass sich eine Gruppe demokratischer Staaten zusammengeschlossen hat, um ein einzelnes Individuum so lange Zeit und unter so wenig Berücksichtigung der Menschenwürde und der Rechtsstaatlichkeit bewusst zu isolieren, zu dämonisieren und zu missbrauchen.“ [1]
Melzer warnte bereits damals vor einer drohenden Auslieferung von Assange an die USA. Viele bekannte Persönlichkeiten und Vereinigungen haben sich in den letzten Jahren für eine Freilassung von Julian Assange ausgesprochen. Gerade in der vergangenen Woche veröffentlichte Amnesty International Schweiz einen Brief gegen das Vergessen und fand klare Worte, auch für die beabsichtigte Abschreckungswirkung auf Journalistinnen und Publizisten:
„Nach Ansicht von Amnesty International würden Julian Assange in den USA schwere Menschenrechtsverletzungen drohen, u.a. Haftbedingungen, die Folter oder anderer Misshandlung gleichkommen könnten. Julian Assanges Veröffentlichung enthüllter Dokumente auf WikiLeaks darf nicht bestraft werden, da dies ein übliches Vorgehen des investigativen Journalismus ist. Eine Anklage gegen Julian Assange könnte andere Journalist*innen und Publizist*innen davon abhalten, ihr Recht auf freie Meinungsäusserung wahrzunehmen.“ [3]
Auch Nils Melzers Nachfolgerin als Sonderberichterstatterin über Folter des Menschenrechtsrates der UN, Dr. Alice Edwards, warnte erst vor zwei Wochen in einer Erklärung vor den „schrecklichen Folgen für Herrn Assanges Gesundheit und Wohlbefinden“. Es sei „sehr wahrscheinlich, dass jede Form von Isolations- und Einzelhaft, vor allem längere Einzelhaft, irreparable Auswirkungen auf Herrn Assanges psychische und potentiell auch auf seine physische Gesundheit haben wird“.
Während seiner Haft hat Assange bereits einen Schlaganfall erlitten. Neben zahlreichen weiteren gesundheitlichen Verschlechterungen (soweit bekannt geworden) hat er sich im Rahmen eines schweren Infektes um Weihnachten 2023 durch massiven Husten eine Rippe gebrochen. Ärztliche Betreuung wurde ihm erst auf Intervention des australischen Hochkommissars gewährt.
Quellen:
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Julian_Assange#Stellungnahmen_zu_Assanges_Situation_(ab_Februar_2016)
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Julian_Assange
[3] https://www.amnesty.ch/de/mitmachen/briefe-schreiben/briefe-gegen-das-vergessen/dok/2024/februar/briefe_februar_2024.pdf
Beitragsbild: Montagsspaziergang in Marburg am 19.02.2024 (Foto: Frank Michler)