Zachow will Stellungnahmen zu Pressefreiheit nicht weiterleiten
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In der kommenden Kreistagssitzung plant der Kreistagsvorsitzende Detlef Ruffert (SPD), die in den vergangenen Sitzungen von ihm erlassenen Filmverbote für unabhängige Medien mit einer Satzungsänderung vermeintlich „rechtssicher“ zu machen [1]. Dr. Frank Michler (Bürgerliste Weiterdenken) prangert dies als Eingriff in die Pressefreiheit an. „Der Kreistag hat sich bewusst eine Satzung gegeben, die Film- und Tonaufnahmen erlaubt. Wenn Herr Ruffert oppositionellen Medien dies nun verbieten will, nur weil er zurecht davon ausgeht, dass diese keine Hofberichterstattung machen würden, so verlässt er damit den Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Ich bin erschüttert über diese Geringschätzung von Artikel 5 unseres Grundgesetzes!“, so Dr. Michler.
Dr. Michler bittet um Stellungnahmen zu Eingriff in die Pressefreiheit
Um die Diskussionen über den geplanten Eingriff in die Pressefreiheit auf eine sachlich fundierte Basis zu stellen, hat Dr. Michler eine Reihe von Presseverbänden, Medien, Journalisten und Rechtsanwälten angeschrieben und um Stellungnahmen gebeten [2]. Das Kreistagsbüro hat er darüber informiert, dass diese Stellungnahmen in Kopie auch an das Kreistagsbüro geschickt werden sollen. Dadurch könnten sie umgehend über das Online-System des Kreistages [3] den Abgeordneten zugänglich gemacht werden.
Zachow: Verwaltung kann es nicht leisten, Stellungnahmen zugänglich zu machen
Marian Zachow, der erste Kreisbeigeordnete, hat nun mitgeteilt, dass seine Verwaltung nicht dazu in der Lage sei, eingehende Stellungnahmen in das Online-System des Kreistages einzupflegen. In einer Email an Dr. Michler schrieb er, sie könnten dies „seitens des Teams Kreisorgane der Verwaltung nicht leisten“ und es gehöre nicht zu den Aufgaben der Verwaltung, Stellungnahmen zu Tagesordnungspunkten des Kreistages den Abgeordneten zugänglich zu machen.
Arroganz der Macht
„Ich bin fassungslos über diese Arroganz der Macht, die Zachow hier demonstriert. Eine derart billige Ausrede habe ich seit ‚mein Hund hat die Hausaufgaben gefressen‘ nicht mehr gehört.“ empört sich Dr. Michler.
Das „Ratsinfomanagement-System“ sei gerade dazu da, allen Kreistagsabgeordneten Unterlagen betreffend der abzustimmenden Anträge zukommen zu lassen. Genau dies sei auch die Aufgabe der Kreistagsverwaltung. „Marian Zachow und Detlef Ruffert befürchten offensichtlich, dass die Verfassungswidrigkeit ihrer geplanten Einschnitte in die Pressefreiheit in den Stellungnahmen angesprochen werden könnte, und sie wollen nicht, dass die Kreistagsabgeordneten dies bei der Abstimmung in Betracht ziehen. Nachdem Zachow kurz zuvor in Podiumsdiskussionen von Digitalisierung und Bürgerbeteiligung gesprochen hat, macht er sich damit völlig unglaubwürdig“, konstatiert Dr. Michler.
Quellen:
[1] Künftig Einschränkung oppositioneller Medien per Mehrheitsbeschluss?
https://weiterdenken-marburg.de/2022/05/05/satzungsaenderungen-fuer-filmverbote-im-kreistag/
[2] Dr. Michler bittet um Stellungnahmen zu Filmverboten
https://weiterdenken-marburg.de/2022/05/10/stellungnahmen-zu-filmverboten/
[3] Online-System des Kreistages mit Sitzungs-Unterlagen für die Abgeordneten
https://marburg-biedenkopf.ratsinfomanagement.net/
Erst dachte ich, zugegebenermaßen sehr Schubladenbehaftet und formalistisch, daß Marian Zachow doch recht hat, und es nicht zu den expliziten Aufgaben der Kreistagsverwaltung gehören kann, Stellungnahmen von Dritten zu verbreiten. Aber dann habe ich das Ganze aus der Sicht des Politikers und des laufenden Wahlkampfes betrachten, und plötzlich gefiel es mir, denn es wirft doch ein Licht auf die Arbeitsweise des Landratskandidaten Zachow! Die formale Seite ist eine Sache, aber die eigentliche Frage muss doch sein, ob diese Zugänglichmachung von Stellungnahmen zu einem aktuellen Problem die Arbeit und die Entscheidungsfindung der Kreistagsabgeordneten positiv beeinflusst oder nicht. Und ich bin der Meinung, dass ein Zachow, der sich ja angeblich so sehr für Digitalisierung einsetzt, in der Lage sein muss, den damit verbundenen minimalen Mehraufwand innerhalb der Verwaltungsapparatur mit Leichtigkeit zu stemmen. Die dort aufgewendete Zeit kommt als Dividende in Form der eingesparten Zeit der Abgeordneten zig-fach zurück und die veröffentlichung steigert gleichzeitig die Qualität von Kreistagsentscheidungen, indem Bürger und Organisationen außerhalb der Exekutive Gelegenheit bekommen, sich zum Thema zu äußern. Auch unter dem Gesichtspunkt der Bürgerbeteiligung also eine gute Idee. Herr Zachow sollte nicht nur die Probleme seiner IT-Infrastruktur sehen (die ohnehin vorgeschoben sind) , sondern vor allem nach Möglichkeiten suchen, die Zugänglichmachung eines breiten Meinungsspektrums und der Nutzung des in den Stellungnahmen enthaltenen Expertenwissens im Sinne einer transparenten und evidenzbasierten Entscheidungsfindung im Kreistag zu ermöglichen. Jemand, der für den Landratsposten kandidiert, sollte immer Lösungsorientiert denken, nicht Problemorientiert. Er sollte so denken, wie der Kandidat von WDMR!
Das witzige ist ja – falls Stellungnahmen eingehen, dann werden die zur Not einfach dadurch im Ratsinfomanagement-System landen, dass ich sie als Anhang zu einem Änderungsantrag beifüge. Insofern ist Zachows Ausrede tatsächlich von der Qualität „Der Hund hat die Hausaufgaben gefressen“.