Pressemitteilung als PDF
Eine umstrittene Marburger Lokalzeitung sowie die Hessenschau und die Frankfurter Rundschau sehen sich Vorwürfen ausgesetzt, anonyme linksextremistische Internetseiten als Quelle zu verwenden und somit deren Hassbotschaften und Verleumdungen weiterzuverbreiten
In der Oberhessischen Presse vom 26.04.2023 verbreitete Björn Wisker vermeintliche „Vorwürfe“ gegen die Friedensbewegung, die Unbekannte am 02.04.2023 anonym im Internet veröffentlicht hatten. Wisker bezieht sich dabei auf eine anonyme Quelle, die er als „Internetseite der linken Gruppe“ bezeichnet. Da die Website, die auf einem ausländischen Server veröffentlicht wurde, kein Impressum hat, lässt sich nicht ermitteln, wer tatsächlich der Herausgeber ist. Es bleibt also unklar, ob sie von einer linken oder einer rechten Gruppe stammt, von einer Einzelperson, oder ob sie von einer „Trollfabrik“ oder einem ausländischen Geheimdienst erstellt wurde.
Dr. Frank Michler, Aktivist der Bürgerinitiative „Weiterdenken-Marburg“, kritisiert, dass die Oberhessische Presse damit anonymen Hassbotschaften und Verleumdungen eine Plattform bietet:
„Wisker hat in seinem Artikel die anonymen Anschuldigungen in der OP ausgebreitet, ohne auf die zahlreichen falschen Tatsachenbehauptungen und das fehlende Impressum der angeblich ‚linken Gruppe‘ einzugehen. Das ist unseriös! Wer Wiskers Artikel sorgfältig liest, merkt, dass die Anschuldigungen keinerlei Substanz haben. Dennoch wird durch die Überschrift und das Wiederkäuen der anonymen Anschuldigungen beim Publikum die diffuse Assoziation erzeugt, für den Frieden auf die Straße zu gehen sei irgendwie falsch und ‚rechts‘. So funktioniert Propaganda!“
Weiterdenken-Marburg hat in einer umfangreichen Pressemitteilung auf Wiskers Text sowie den zugrundeliegenden anonymen Text der vorgeblich „linken Gruppe“ reagiert und viele der falschen Tatsachenbehauptungen richtiggestellt [1].
Dr. Michler weist darauf hin, dass es nicht das erste mal sei, dass die Oberhessische Presse anonyme Veröffentlichungen mutmaßlicher Linksextremisten als Quelle verwendet. Im April 2022 erließ das Landgericht Frankfurt eine einstweilige Verfügung gegen die Oberhessische Presse, wo der Zeitung eine falsche Tatsachenbehauptung mit Bezug zu den Montagsspaziergängen untersagt wurde. In diesem Verfahren hatte die OP in einem Schriftsatz aus einer anonymen Antifa-Seite zitiert, um ihren Standpunkt zu belegen [2].
Kürzlich hatte auch die mit Gebührengeldern finanzierte Hessenschau auf einen anonymen „linken Blog“ der Marburger linksextremistischen Szene verlinkt [3]. Und die Frankfurter Rundschau verwies auf das Online-Medium und nannte es einen „Rechercheblog“, ohne auf den linksextremistischen Hintergrund der anonymen Website hinzuweisen.
Der gleiche „linke Blog“ hatte 2021 private Wohnanschriften von Kandidaten zur Kommunalwahl veröffentlicht. Diese hatten kurze Zeit später auch Drohbriefe [4] und Morddrohungen in den entsprechenden Briefkästen.
Strafrechtliche Ermittlungen gegen die Urheber der Hassbotschaften laufen regelmäßig ins Leere, da aufgrund des fehlenden Impressums und der im Ausland gehosteten Server die Verantwortlichen nicht ermittelt werden können. Vor diesem Hintergrund sei es besonders problematisch, wenn „Qualitätsmedien“ solchen anonymen „linken Blogs“ Reichweite verschaffen und ihre Behauptungen verbreiten.
Im Verfassungsschutzbericht Hessen [5] für 2020 heißt es dazu:
„In unregelmäßigen zeitlichen Abständen führten Autonome hessenweit Outing-Aktionen zu Personen durch, die sie als politische Gegner oder als Rechtsextremisten definierten. Die Aktionen mit der Zielrichtung der Herbeiführung eines erheblichen individuellen sozialen, gesellschaftlichen und mitunter beruflichen Reputationsverlustes fanden insbesondere in Frankfurt am Main, dem mittelhessischen Raum, Darmstadt und dem Raum Kassel statt.
Die mitunter systematisch betriebene Feindbildanalyse des aktions-orientierten linksextremistischen Spektrums nahm Teile der „Querdenker“-Bewegung hinsichtlich deren öffentlicher Verlautbarungen in den Fokus. Im Bereich Mittelhessen hat sich die Internetseite Stadt, Land, Volk das Ziel gesetzt, „Netzwerke auf[zu] decken!“ und den „(Neu-)Rechten Bewegungen den Aufwind [zu] nehmen.“ Zu diesem Zweck veröffentlicht die Seite seit einigen Jahren Berichte in Form von Outings mit persönlichen und biografischen Daten von Personen, die sie diesem Spektrum zurechnet.“
Bezüglich der deutschen Inlandsgeheimdienste weist Dr. Michler darauf hin:
„Wenn wir hier aus dem Verfassungsschutzbericht zitieren, heißt das nicht, dass wir den deutschen Inlandsgeheimdiensten unkritisch gegenüberstehen. Im Gegenteil! Insbesondere seit der Erfindung der überaus schwammigen Kategorie der ‚Delegitimierung des Staates‘ sehen wir die Gefahr, dass die Aktivitäten der ‚Schlapphüte‘ den demokratischen Diskurs untergraben und damit selbst verfassungsfeindlich agieren.“
Dr. Michler verweist in diesem Zusammenhang auf einen Beitrag von Prof. Dr. Dietrich Murswiek in der „Legal Tribune Online“ [6]. Dort schrieb Murswiek:
„Wenn der Verfassungsschutz heftige Kritik an der Regierungspolitik als „delegitimierend“ und daher extremistisch aus dem demokratischen Diskurs verdrängen will, dann verfehlt er nicht nur seine Aufgabe, sondern wird damit selbst zum Problem für die Demokratie.“
Quellen:
[1] https://weiterdenken-marburg.de/2023/04/28/oberhessische-presse-in-der-kritik-antwort-auf-anonyme-diffamierung/
[2] https://weiterdenken-marburg.de/2022/04/29/landgericht-untersagt-falsche-kontaktschuld-behauptung/
[3] „Qualitätsmedien“ bezeichnen anonyme linksextremistische Seite als „linken Blog“ bzw. „Rechercheblog“
Hessenschau: https://archive.is/mcRrU#selection-1547.9-1554.0
Frankfurter Rundschau: https://archive.is/23XJm#selection-611.236-611.273
[4] https://buergerliste-weiterdenken.de/2021/03/08/ob-kandidat-von-antifa-bedroht/
[5] https://verfassungsschutz.hessen.de/sites/verfassungsschutz.hessen.de/files/2022-04/lfv_bericht20_final_screen_100821.pdf
[6] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/verfassungsschutz-kritik-extremismus-delegitimierung-verfassung-bericht/
Beitragsbild: Osterspaziergang am 10.04.2023, Gedenktafel an der alten Uni für die Morde von Mechterstadt
Update 02.05.2023
Der Hessische Rundfunk hat geantwortet. Er schreibt:
in der von Ihnen genannten Berichterstattung nutzen wir zu keiner Zeit „anonyme linksextremistische Internetseiten als Quelle“. Im Sinne der journalistischen Transparenz nennen wir die Erstberichterstatter eines Sachverhalts, über den wir anhand anderer Quellen (z.B. Stadt Marburg) berichten. Ebenso wenig zitieren wir aus dem benannten Blog. Auf die direkte Verlinkung verzichten wir im Folgenden.